NEU DELHI – Weltweit gibt es mehr als 390.000 bekannte Pflanzenarten, aber nur drei – Reis, Mais und Weizen – liefern 60 Prozent der pflanzlichen Kalorien in unserer Ernährung. Die Dominanz dieser drei Getreidesorten beruht größtenteils auf bedeutenden technologischen Errungenschaften, insbesondere der Entwicklung von Hochertragssorten bei Reis und Weizen im Laufe der Grünen Revolution in den 1960er Jahren.
Diese Innovationen haben enormen Nutzen mit sich gebracht. Sie ermöglichten einen erheblich verbesserten Zugang zu Grundnahrungsmitteln und retteten hunderte Millionen Menschen vor dem Hungertod. Die gesteigerte landwirtschaftliche Produktion führte jedoch auch zu einer Reihe anderer Probleme, insbesondere im Hinblick auf den Anbauprozess. Die erhöhte Produktivität von Hochertragssaatgut hängt nämlich in hohem Maße von der Verfügbarkeit zuverlässiger Bewässerung und dem Einsatz verschiedener chemischer Hilfsmittel, insbesondere Düngemittel und Pestizide, ab.
Der Einsatz von Hochertragssaatgut führte zu übermäßiger Nutzung der Kanalbewässerung und damit zu Vernässungsproblemen, so dass landwirtschaftliche Betriebe, selbst in semi-ariden Regionen gezwungen waren, auf Grundwasserbewässerung zurückzugreifen. Auch der Einsatz stickstoffhaltiger Düngemittel hat nach der Umstellung auf Hochertragslandwirtschaft drastisch zugenommen.
Die inhärente Anfälligkeit dieser Hochertragssorten gegenüber Schädlingen und die Tendenz, diese Pflanzen in Monokulturen anzubauen, hatten häufigen Befall und einen weit verbreiteten, oft wahllosen Einsatz chemischer Pestizide zur Folge, der wiederum toxische Rückstände in Pflanzen und Getreidekörnern hinterließ. Da die Schädlinge gegen diese Chemikalien Resistenzen entwickelten, musste nach neuen technologischen Lösungen gesucht werden, darunter die Entwicklung gentechnisch veränderter Nutzpflanzen, denen (zumindest einige) Schädlinge nichts anhaben können.
Hinzu kommt, dass zwar diese Technologien skalenneutral sind, der Zugang zu den erforderlichen Produktionsmitteln und Märkten in der Regel jedoch nicht. Infolgedessen haben landwirtschaftliche Großbetriebe unverhältnismäßig stark profitiert, wodurch sich die Ungleichheit in der Landwirtschaft verschärfte.
Und als ob diese Herausforderungen nicht schon beängstigend genug wären, wächst unter Fachleuten die Besorgnis über den sich verschlechternden Nährstoffgehalt von Hochertragspflanzen. So legen die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten Studie nahe, dass die Grüne Revolution Indien zwar zur Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln verhalf, aber die Ernährungssicherheit des Landes beeinträchtigte.
Auf Grundlage der wissenschaftlichen Untersuchung von Qualität und potenzieller Toxizität von rund 1.500 Reis- und Weizensorten, die zwischen den 1960er Jahren und 2018 in Indien entwickelt und eingesetzt wurden, zeichnen die Autorinnen und Autoren die langfristigen Auswirkungen der auf Hochertragssorten ausgerichteten Pflanzenzuchtprogramme nach. Sie kommen zu dem Schluss, dass sich die Nährstoffzusammensetzung in den Getreiden durch die Maßnahmen im Rahmen dieser Programme verändert hat, wodurch sich ein deutlich geringerer ernährungsphysiologischer Nutzen und eine höhere Konzentration an Toxinen ergeben haben.
Kurzum: Obwohl die Verbesserung der Ernährungssituation vorrangiges Ziel des Anbaus dieser Getreidesorten war, hat der Schwerpunkt auf Ertragssteigerung deren Nährwert erheblich vermindert. Vor allem der Gehalt an lebenswichtigen Nährstoffen wie Zink und Eisen in Reis und Weizen, den beiden wichtigsten Grundnahrungsmitteln in Indien, ist deutlich gesunken. Insbesondere bei Reis wurde ein Rückgang des Zinkgehalts um 33 Prozent und des Eisengehalts um 27 Prozent verzeichnet, während der Zink- und Eisengehalt in Weizen um 30 beziehungsweise 19 Prozent sank. Noch schlimmer: Der Arsengehalt in Reis ist um 1493 Prozent angestiegen.
Diese Erkenntnisse haben weitreichende Auswirkungen auf die Gesundheit jener, die diese Getreide konsumieren. Insbesondere weisen die Autorinnen und Autoren darauf hin, dass die „orale Aufnahme von metallischen Toxinen“ zu schwerwiegenden Gesundheitsproblemen wie „Lungenkrebs oder chronischen Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hyperkeratose, Nierenschädigungen und einer gestörten Knochenkalzifizierung“ führen könnte. Ein erhöhter Verzehr von Grundnahrungsmitteln wie Reis und Weizen - das Ziel der Grünen Revolution - könnte Indiens ohnehin schon beträchtliche Krankheitslast noch weiter verschärfen.
Dies gilt auch für viele andere Länder, die zur Steigerung der Erträge und der Produktion von Grundnahrungsmitteln in hohem Maße auf Hochertragssorten setzen. Die seit kurzem unter neuem Namen firmierende Allianz für eine grüne Revolution in Afrika propagiert beispielsweise weiterhin ein überholtes industrielles Modell der Landwirtschaft, das den erwarteten ernährungsbezogenen Nutzen nicht erbrachte.
Wie ich bereits zu einem früheren Zeitpunkt darlegte, sollte Ernährung nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Gesamtkalorienaufnahme auf Grundlage des Monokultur-Anbaus betrachtet werden. Der hervorragende Nährwert einer abwechslungsreichen Ernährung ist inzwischen weithin anerkannt. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es jedoch nicht nur technologischer Innovationen, sondern auch einer Verlagerung des Schwerpunkts auf den Anbau einer Reihe von Nutzpflanzen, die sich am besten für die örtlichen ökologischen und klimatischen Bedingungen eignen. Dieser Ansatz verbessert nicht nur die Ernährungslage, sondern fördert durch die Verringerung der CO2-Emissionen während des gesamten Lebenszyklus der Nahrungsmittel auch die Nachhaltigkeit.
Indiens Erfahrungen sind ein abschreckendes Beispiel für Entwicklungsländer. In Indien und anderswo wird immer deutlicher, dass der Einsatz agrarökologischer Verfahren auf Grundlage kleinbäuerlicher Landwirtschaft der wirksamste Weg zur Entwicklung von Nahrungsmittelsystemen ist, die nicht nur nachhaltig sind, sondern auch nährstoffreiche Nahrungsmittel liefern. Dies erfordert jedoch eine Abkehr von der rücksichtslosen Kommerzialisierung der Landwirtschaft, die in erster Linie den Interessen der großen Agrarunternehmen dient, zugunsten eines Modells, das den eigentlichen Erzeugern und Verbrauchern von Lebensmitteln zugute kommt.
Übersetzung: Helga Klinger-Groier
NEU DELHI – Weltweit gibt es mehr als 390.000 bekannte Pflanzenarten, aber nur drei – Reis, Mais und Weizen – liefern 60 Prozent der pflanzlichen Kalorien in unserer Ernährung. Die Dominanz dieser drei Getreidesorten beruht größtenteils auf bedeutenden technologischen Errungenschaften, insbesondere der Entwicklung von Hochertragssorten bei Reis und Weizen im Laufe der Grünen Revolution in den 1960er Jahren.
Diese Innovationen haben enormen Nutzen mit sich gebracht. Sie ermöglichten einen erheblich verbesserten Zugang zu Grundnahrungsmitteln und retteten hunderte Millionen Menschen vor dem Hungertod. Die gesteigerte landwirtschaftliche Produktion führte jedoch auch zu einer Reihe anderer Probleme, insbesondere im Hinblick auf den Anbauprozess. Die erhöhte Produktivität von Hochertragssaatgut hängt nämlich in hohem Maße von der Verfügbarkeit zuverlässiger Bewässerung und dem Einsatz verschiedener chemischer Hilfsmittel, insbesondere Düngemittel und Pestizide, ab.
Der Einsatz von Hochertragssaatgut führte zu übermäßiger Nutzung der Kanalbewässerung und damit zu Vernässungsproblemen, so dass landwirtschaftliche Betriebe, selbst in semi-ariden Regionen gezwungen waren, auf Grundwasserbewässerung zurückzugreifen. Auch der Einsatz stickstoffhaltiger Düngemittel hat nach der Umstellung auf Hochertragslandwirtschaft drastisch zugenommen.
Die inhärente Anfälligkeit dieser Hochertragssorten gegenüber Schädlingen und die Tendenz, diese Pflanzen in Monokulturen anzubauen, hatten häufigen Befall und einen weit verbreiteten, oft wahllosen Einsatz chemischer Pestizide zur Folge, der wiederum toxische Rückstände in Pflanzen und Getreidekörnern hinterließ. Da die Schädlinge gegen diese Chemikalien Resistenzen entwickelten, musste nach neuen technologischen Lösungen gesucht werden, darunter die Entwicklung gentechnisch veränderter Nutzpflanzen, denen (zumindest einige) Schädlinge nichts anhaben können.
Hinzu kommt, dass zwar diese Technologien skalenneutral sind, der Zugang zu den erforderlichen Produktionsmitteln und Märkten in der Regel jedoch nicht. Infolgedessen haben landwirtschaftliche Großbetriebe unverhältnismäßig stark profitiert, wodurch sich die Ungleichheit in der Landwirtschaft verschärfte.
Und als ob diese Herausforderungen nicht schon beängstigend genug wären, wächst unter Fachleuten die Besorgnis über den sich verschlechternden Nährstoffgehalt von Hochertragspflanzen. So legen die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten Studie nahe, dass die Grüne Revolution Indien zwar zur Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln verhalf, aber die Ernährungssicherheit des Landes beeinträchtigte.
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Auf Grundlage der wissenschaftlichen Untersuchung von Qualität und potenzieller Toxizität von rund 1.500 Reis- und Weizensorten, die zwischen den 1960er Jahren und 2018 in Indien entwickelt und eingesetzt wurden, zeichnen die Autorinnen und Autoren die langfristigen Auswirkungen der auf Hochertragssorten ausgerichteten Pflanzenzuchtprogramme nach. Sie kommen zu dem Schluss, dass sich die Nährstoffzusammensetzung in den Getreiden durch die Maßnahmen im Rahmen dieser Programme verändert hat, wodurch sich ein deutlich geringerer ernährungsphysiologischer Nutzen und eine höhere Konzentration an Toxinen ergeben haben.
Kurzum: Obwohl die Verbesserung der Ernährungssituation vorrangiges Ziel des Anbaus dieser Getreidesorten war, hat der Schwerpunkt auf Ertragssteigerung deren Nährwert erheblich vermindert. Vor allem der Gehalt an lebenswichtigen Nährstoffen wie Zink und Eisen in Reis und Weizen, den beiden wichtigsten Grundnahrungsmitteln in Indien, ist deutlich gesunken. Insbesondere bei Reis wurde ein Rückgang des Zinkgehalts um 33 Prozent und des Eisengehalts um 27 Prozent verzeichnet, während der Zink- und Eisengehalt in Weizen um 30 beziehungsweise 19 Prozent sank. Noch schlimmer: Der Arsengehalt in Reis ist um 1493 Prozent angestiegen.
Diese Erkenntnisse haben weitreichende Auswirkungen auf die Gesundheit jener, die diese Getreide konsumieren. Insbesondere weisen die Autorinnen und Autoren darauf hin, dass die „orale Aufnahme von metallischen Toxinen“ zu schwerwiegenden Gesundheitsproblemen wie „Lungenkrebs oder chronischen Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hyperkeratose, Nierenschädigungen und einer gestörten Knochenkalzifizierung“ führen könnte. Ein erhöhter Verzehr von Grundnahrungsmitteln wie Reis und Weizen - das Ziel der Grünen Revolution - könnte Indiens ohnehin schon beträchtliche Krankheitslast noch weiter verschärfen.
Dies gilt auch für viele andere Länder, die zur Steigerung der Erträge und der Produktion von Grundnahrungsmitteln in hohem Maße auf Hochertragssorten setzen. Die seit kurzem unter neuem Namen firmierende Allianz für eine grüne Revolution in Afrika propagiert beispielsweise weiterhin ein überholtes industrielles Modell der Landwirtschaft, das den erwarteten ernährungsbezogenen Nutzen nicht erbrachte.
Wie ich bereits zu einem früheren Zeitpunkt darlegte, sollte Ernährung nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Gesamtkalorienaufnahme auf Grundlage des Monokultur-Anbaus betrachtet werden. Der hervorragende Nährwert einer abwechslungsreichen Ernährung ist inzwischen weithin anerkannt. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es jedoch nicht nur technologischer Innovationen, sondern auch einer Verlagerung des Schwerpunkts auf den Anbau einer Reihe von Nutzpflanzen, die sich am besten für die örtlichen ökologischen und klimatischen Bedingungen eignen. Dieser Ansatz verbessert nicht nur die Ernährungslage, sondern fördert durch die Verringerung der CO2-Emissionen während des gesamten Lebenszyklus der Nahrungsmittel auch die Nachhaltigkeit.
Indiens Erfahrungen sind ein abschreckendes Beispiel für Entwicklungsländer. In Indien und anderswo wird immer deutlicher, dass der Einsatz agrarökologischer Verfahren auf Grundlage kleinbäuerlicher Landwirtschaft der wirksamste Weg zur Entwicklung von Nahrungsmittelsystemen ist, die nicht nur nachhaltig sind, sondern auch nährstoffreiche Nahrungsmittel liefern. Dies erfordert jedoch eine Abkehr von der rücksichtslosen Kommerzialisierung der Landwirtschaft, die in erster Linie den Interessen der großen Agrarunternehmen dient, zugunsten eines Modells, das den eigentlichen Erzeugern und Verbrauchern von Lebensmitteln zugute kommt.
Übersetzung: Helga Klinger-Groier